
Jede/r von uns hat sicher schon einmal eine lästige Aufgabe vor sich hergeschoben. Gelegentliches Prokrastinieren ist tatsächlich ein ziemlich normales Verhalten. Der Spaß hört aber auf, wenn einen die Anforderungen der Realität einholen, die Deadline für die Hausarbeit nicht mehr einhaltbar oder die Prüfung jetzt nicht mehr zu bestehen ist. Leistungsrückstand und das Verpassen von Fristen sind leider typische Folgen von Prokrastination. Intensives Stresserleben, innere Unruhe, Schlafstörungen und viele andere Symptome ebenso. Über dieses Leid wird selten offen gesprochen, obwohl es so viele Studierende betrifft. Im Folgenden möchte ich dir deshalb einige Tipps geben, um Prokrastination im Studium zu überwinden.
Prokrastination entlastet für den Moment von einer Aufgabe, die mit unangenehmen Gefühlen wie beispielsweise Versagensangst verbunden sein kann. Ersatztätigkeiten wie Serien schauen oder Putzen lenken nicht nur ab, sondern vermitteln auch oft ein gutes Gefühl. Auf irgendeine Art produktiv gewesen zu sein, beruhigt und rechtfertigt das Vertagen des eigentlichen Vorhabens. Diese Mechanismen sind trügerisch, denn am Ende bleibt das liegen, was wirklich wichtig ist. Langfristig verbessern sich dadurch weder deine Gefühle noch die Situation. Exzessives Aufschieben gilt als Versagen der Selbstregulation und ist eine Form der Arbeitsstörung. Aber keine Sorge, es gibt Möglichkeiten, dagegen anzukommen!1
Wissen über dein Prokrastinationsmuster kann dir helfen, bewusste Entscheidungen zu treffen, die dir langfristig guttun. Der erste Schritt kann daher sein, dich selbst aufmerksam zu beobachten. Welche Aufgabe schiebst du auf und mit welcher Tätigkeit lenkst du dich ab? Welche Gedanken und Gefühle kommen in dir auf? Notiere diese Informationen eine Woche lang, einschließlich deiner täglichen Lernzeit. Du wirst erkennen, welche Bedingungen, Gedanken und Gefühle dich vom Schreibtisch fernhalten und unter welchen Umständen du produktiv(er) bist. Vermehre bewusst die Situationen, in denen dir das Lernen leichter fällt. Die Forschung zeigt, dass die Selbstbeobachtung des eigenen Arbeitsverhaltens Prokrastination reduzieren kann.2
Menschen fürchten und vermeiden Aufgaben, von denen sie glauben, dass sie die eigenen Bewältigungsfähigkeiten übersteigen.3 Welche Gedanken kommen dir in den Sinn, wenn du an deine Aufgabe denkst? Dinge, wie: »Das schaffe ich nicht (gut genug), das ist zu schwer für mich!«? Reflektiere für einen Augenblick, ob deine Gedanken wahr, hilfreich und motivierend sind oder dich doch eher runterziehen. Was wäre ein alternativer Gedanke, der mehr der Realität entspricht und dich motiviert, deine Aufgaben in Angriff zu nehmen? Du hast viele Meilensteine bis hierher erreicht und damit oft genug bewiesen, wie lernfähig und ausdauernd du bist. Sei achtsam für deine kleinen Erfolge und belohne dich für diese, das stärkt deine Motivation.
Um ins Handeln zu kommen, braucht es zudem vor allem eines: ein konkretes Ziel. Je unpräziser es formuliert ist und je weiter es in der Zukunft liegt, desto größer ist die Gefahr, in die Prokrastinationsfalle zu tappen. Daher lautet ein weiterer Tipp, kleine konkrete Teilziele zu formulieren, denen du den Ort der Bearbeitung und ein Zeitfenster zuweist. Nun siehst du nicht mehr das ungenaue Ziel »Prüfung bestehen«, sondern ein nahes Ziel, das handhabbar ist: »Von 9:00 Uhr bis 10:30 Uhr schreibe ich Karteikarten in der Bibliothek«. Ähnlich wie ein Puzzle Stück für Stück gelöst wird, läuft auch das Lernen in Etappen ab. Die Pomodoro-Technik nach Francesco Cirillo kann dich dabei unterstützen, kleine Lerneinheiten durchzuziehen und effiziente Arbeitszeit aufzubauen. Du arbeitest hierbei in Zeitblöcken von 25 Minuten. Nach jeder Einheit folgt eine Pause von fünf Minuten. Im Anschluss an vier sogenannte Pomodori legst du eine wohlverdiente Pause von 15 bis 20 Minuten ein. Diese leichter verdaulichen Konzentrationsphasen kannst du mehrfach wiederholen.
Prokrastination ist unter Studierenden weit verbreitet und in Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen gut nachvollziehbar. Du bist damit nicht allein. Selbstabwertung, Scham und Vorwürfe machen jetzt nur noch weniger Lust, mit deiner Aufgabe zu beginnen. Auch wenn es dir gerade schwerfällt, freundlich mit dir umzugehen: Selbstmitgefühl reduziert Prokrastination.4 Du kannst anerkennen, dass du prokrastiniert hast – das macht dich als Studierende/r nicht weniger kompetent und du kannst jederzeit aktiv werden.
Lass den Anspruch sanft los, alles auf einmal bewältigen zu müssen und beginne geduldig mit dem Aufbau neuer Routinen. Bleibe dabei neugierig und lerne, was dir persönlich hilft, ins Handeln zu kommen. Das kann z. B. auch bedeuten, andere in deine Lernprozesse einzubeziehen oder professionelle Hilfe anzunehmen. Jeder Moment ist eine Gelegenheit für einen Neuanfang und dein persönliches Wachstum.
In der Aufzeichnung zum Online-Event »Strategien gegen Prokrastination« findest du noch mehr hilfreiche Tipps zum Thema!
Sarah Baumann hat während ihres Studiums gemerkt, dass akademischer Stress und die Belastungen eines Studiums individuell und vielfältig sein können. Auf sozialen Medien ermutigt sie mit hilfreichen Tipps dazu, den Alltag im Studium zu entschleunigen.
1Vgl. Höcker, A.; Engberding, M. & Rist, F. (2022): "Prokrastination - Extremes Aufschieben". 1. Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag, S. 9.
2Vgl. Höcker, A.; Engberding, M. & Rist, F. (2022): "Prokrastination - Extremes Aufschieben". 1. Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag, S. 34.
3Vgl. Bandura, A. (1977): "Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change". In: Psychological Review, 84(2), S. 194.
4Vgl. Sirois, F. M. (2022): "Procrastination. What it is, why it`s a problem, and what you can do about it". Washington, DC: American Psychological Accociation, S. 168.