In welchem Alter hast du zum ersten Mal einen Porno gesehen? Oder hattest du bisher keine Berührungspunkte damit? Im Schnitt kommen Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits zwischen 12 und 14 Jahren zum ersten Mal mit pornografischen Inhalten in Kontakt – auch ungewollt.1 Unter den Top 20 Websites nach Besuchen in Deutschland ist neben Suchmaschinen und sozialen Medien auch ein Anbietender für Erwachsenenfilme vertreten.2 Männer konsumieren häufiger Pornos als Frauen – auf einer der einschlägigen Seiten liegt der Anteil der männlichen Nutzer aus Deutschland beispielsweise bei 75 Prozent. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zehn Minuten pro Seitenabruf. Trotzdem ist Pornografie in weiten Teilen der Bevölkerung ein Tabuthema, über das häufig nicht gerne gesprochen wird. Vor übermäßigem Konsum bzw. der sogenannten »Pornosucht« wird sogar gewarnt. Aber stimmt das auch?3
Die WHO deklariert Sexualität als zentralen Aspekt von Gesundheit und Wohlbefinden.4 Masturbation gehört für viele Menschen zur eigenen Sexualität und kann positiven Einfluss auf die körperliche und mentale Gesundheit nehmen.5 Bei der Selbstbefriedigung kann Pornografie eine Rolle spielen. Die meisten Menschen konsumieren Pornos online. Aber wusstest du, dass Pornografie schon lange vor dem Internet existierte? Das Museo Archeologico Nazionale di Napoli stellt beispielsweise pornografische Kunst aus der römischen Antike aus. Unter anderem finden sich dort erotische Gemälde, Vasen und Plastiken sowie eine Öllampe in Form eines Penis. Der Zutritt zum sogenannten »Geheimkabinett« war zunächst nur Männern oder Personen mit beruflichem Interesse gestattet.6
Sogar die »Alten Römer« interessierten sich also für Pornografie. Aber aus welchen Gründen konsumieren Menschen eigentlich pornografische Inhalte? Eine Studie7 aus dem Jahr 2021 ist genau dieser Frage nachgegangen und hat – wahrscheinlich wenig überraschend – herausgefunden, dass Lust bzw. sexuelles Vergnügen bei 45 Prozent der Studienteilnehmer/innen Anlass für den Konsum darstellt. Andere Gründe waren:
Soweit, so gut: Das Interesse an Pornos scheint tief in der Geschichte der Menschheit verwurzelt zu sein. Die Verbreitung im Internet und die einfachen Möglichkeiten, Pornos zu konsumieren, haben dazu beigetragen, dass viele Menschen sie aus unterschiedlichen Gründen nutzen. Aber musst du dir nun Sorgen um deine Gesundheit machen, wenn du dir hin und wieder spicy Filme ansiehst?
Pornografie ist ein umstrittenes Feld – gesellschaftlich, politisch und wissenschaftlich. Einerseits wird Pornokonsum mit möglichen positiven Effekten in Verbindung gebracht, etwa mit sexueller Offenheit, dem Ergründen der eigenen Sexualität sowie einer besseren Kommunikation über eigenen Bedürfnisse innerhalb einer Partnerschaft.8 Als potenzielle negative Effekte werden dagegen Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper oder der Partnerschaft, Darstellung von erniedrigenden und gewaltverherrlichenden Praktiken, unrealistische Erwartungen an die eigene Sexualität sowie Veränderungen der Gehirnstruktur oder Erektionsstörungen diskutiert. Die Effekte scheinen vor allem von der Häufigkeit und Dauer des Konsums beeinflusst zu sein – je intensiver der Konsum von Pornografie, desto wahrscheinlicher sind mögliche negative Effekte. Aber wie viel ist zu viel und gibt es Pornosucht?9
Ob der Konsum von Pornografie zu negativen Beeinträchtigungen führt, kann individuell sehr unterschiedlich sein. Auch über eine maximale Konsumhäufigkeit kann keine pauschale Aussage getroffen werden. Die WHO klassifiziert ein außer Kontrolle geratenes Verhalten in Bezug auf Pornografie als zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung bzw. Pornografienutzungsstörung – umgangssprachlich Pornosucht.10 Folgende Anzeichen können auf eine problematische Entwicklung hindeuten:
Pornos und/oder Masturbation können dir dabei helfen, deine eigene Sexualität zu erkunden. Dabei ist es wichtig, achtsam zu konsumieren, den eigenen Konsum hin und wieder zu reflektieren und sich bewusst zu machen, dass Pornografie nicht unbedingt dasselbe wie »echte Sexualität« ist. Neben klassischen Filmen, die häufig aus der männlichen Perspektive erzählt werden, versuchen beispielsweise feministische Pornos ein diverseres Angebot bereitzustellen und Sexualität aus anderen Blickwinkeln zu beleuchten. Solltest du Anzeichen einer Pornografienutzungsstörung bei dir bemerken oder unter deinem eigenen Verhalten in Bezug auf Pornografie leiden, gibt es Möglichkeiten und Unterstützungsangebote, die dir helfen können. Eine gute erste Anlaufstelle können Hausärzt/innen, Psychotherapeut/innen sowie psychologische Beratungsstellen sein. Viele Hochschulen und städtische Träger haben ein spezielles Angebot für Suchtberatung. Weitere Informationen und mögliche Beratungsstellen findest du bei der »DHS – Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen«. Natürlich kann die Suche nach Unterstützung im ersten Moment sehr unangenehm und überfordernd sein. Viele Betroffene von Sucht kennen diese Herausforderung. In einem professionellen Umfeld begegnen dir aber erfahrene Berater/innen mit viel Empathie und dem Wunsch, Betroffene zu unterstützen.
Wenn du mehr über das Thema Sucht erfahren möchtest, findest du in diesem Beitrag hilfreiche Informationen. Spannende Fakten über Sex und sexuelle Erregung beleuchtet dieser Artikel.
1Vgl. Landesanstalt für Medien NRW (2023): "Erfahrung von Kindern und Jugendlichen mit Sexting und Pornos. Zentrale Ergebnisse der Befragung 2023" unter: https://www.medienanstalt-nrw.de/studie-porno-sexting-minderjaehrige-2023 [Stand 22.07.2024] & mpfs (Hrsg.) (2023): "JIM-Studie 2023. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger". Stuttgart, S. 52-54.
2Vgl. Semrush (2024): "Die meistbesuchten Websites in Deutschland, aktualisiert im Juni 2024" unter: https://de.semrush.com/website/top/germany/all/ [Stand 22.07.2024]
3Vgl. Statista Research Department (2024): "Statistiken zum Thema Sexindustrie: Masturbation, Sextoys und Pornos" unter: https://de.statista.com/themen/3970/sexindustrie-sexshops-sextoys-und-pornos/#topicOverview [Stand 22.07.2024] & Sonnenmoser, Marion (2021): "Pornografiesucht: Hilfe ohne Tabu". In: Deutsches Ärzteblatt, PP 20, Ausgabe April 2021, S. 162.
4Vgl. WHO (2015): "Sexual health" unter: https://www.who.int/health-topics/sexual-health#tab=tab_1 [02.08.2024]
5Vgl. Müller, Carsten (2023): "Selbstbefriedigung macht gesund und glücklich" unter: https://www.spektrum.de/kolumne/warum-selbstbefriedigung-gesund-und-gluecklich-macht/2096898 [Stand 02.08.2024]
6Vgl. Herz, Marion (2005): "PornoGRAPHIE. Eine Geschichte". Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2005, S. 17-18.
7Bõthe, B.; Tóth-Király, I.; Bella, N.; Potenza, M. N.; Demetrovics, Z. & Orosz, G. (2021): "Pornography Use Motivations Scale (PUMS) [Database record]". In: APA PsycTests unter: https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Ft81440-000.
8Vgl. McKee, A. (2007): "The positive and negative effects of pornography as attributed by consumers". In: Australian Journal of Communication, 34(1), S. 87-104.
9Vgl. ÄrzteZeitung (2020): "Erektionsstörungen als Folge von Porno-Konsum?" unter: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Erektionsstoerungen-als-Folge-von-Porno-Konsum-411426.html#:~:text=%E2%80%9EM%C3%A4nner%20schauen%20ziemlich%20viel%20Pornos,der%20Antworten%20sei%20%C3%BCberraschend%20gewesen [Stand 23.07.2024]
10Vgl. Demann, Julia (2024): "Süchtig nach Pornos" unter: https://www.spektrum.de/news/neue-diagnose-pornosucht-suechtig-nach-sexfilmen/2204073 [Stand 13.08.2024]
11Vgl. Markert, Charlotte et al. (2022): "Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung als neue ICD-11-Diagnose: Diagnostik und Psychotherapie". In: Psychotherapeutenjournal, 1/2022, S. 26-32.