Unfreiwillig die Zusage für das Referendariat aufzugeben, fällt sicher nicht leicht.
Da die letzte Masterprüfung meiner Freundin nicht bis zum Stichtag im Prüfungsamt verbucht war, musste sie genau diesen Weg gehen. Das Tragische: Meine Freundin hatte ihre Prüfungsleistung bereits viele Wochen vor der Abgabefrist eingereicht. Was ist schiefgelaufen? Die Korrektur der Hausarbeit zog sich unerwartet in die Länge. Nach Wochen des Wartens wuchs die Sorge. Meine Freundin bat inständig darum, die Prüfung vorerst nur grob auf »bestanden« oder »nicht-bestanden« zu korrigieren. Es folgte die deutliche Botschaft der Lehrenden, von weiteren Nachrichten abzusehen. Die Telefonnummer meiner Freundin wurde anscheinend sogar blockiert. Die Zeit verstrich und dann stand fest: Der Traum, nahtlos in das Referendariat überzugehen, ist geplatzt. Bereits als Freundin und damit nicht unmittelbar Betroffene hat mich dieser Vorfall emotional belastet. So viele Wochen der Korrektur können doch nicht zulässig sein?
Manche Entscheidungen von Lehrpersonen haben weitreichende Konsequenzen für den Studienverlauf. Fühlt man sich dabei ungerecht behandelt, kann einen das förmlich auffressen. Da bauen sich Wut, Trauer und ein Gefühl der Hilflosigkeit auf. Ich gehe nicht davon aus, dass Hochschulpersonal uns beabsichtigt schaden möchte und dennoch kommt es zu diesen Situationen. In solchen Fällen frage ich mich daher auch, was an dem Handeln des anderen mein Verständnis erfordert.
Das Gefühl der Ungerechtigkeit kann Stress- und Ärgerreaktionen begünstigen und ist zumindest in der Arbeitswelt mit Burn-out assoziiert.1 Auch für die eigene Gesundheit kann sich der Widerspruch daher lohnen. Wenn du beispielsweise mit dem Ausgang einer Prüfung nicht einverstanden bist oder dich benachteiligt fühlst, dann musst du das nicht einfach machtlos hinnehmen. Klärungsprozesse verlaufen sogar oft überraschend konstruktiv.
Wenn du objektiv begründen kannst, dass rechtlich verbindliche Regelungen zum zeitlichen, inhaltlichen oder organisatorischen Ablauf deines Studiums nicht eingehalten wurden oder dass Prüfende befangen sind, hast du gute Erfolgschancen. Das beinhaltet auch fehlerhafte Prüfungsbedingungen wie Lärm oder widersprüchliche Prüfungsfragen. In solchen Fällen kannst du die Prüfung anfechten. Informationen über die Modalitäten deiner Prüfungen findest du in der Prüfungsordnung deines Studiengangs.
Ist der Konfliktgegenstand so wichtig für dich, dass du bereit bist, mehr Zeit, Energie und ggf. auch Geld zu investieren? In einigen Fällen kann sich der juristische Weg lohnen. Für Studierende gibt es sogar Angebote der kostenfreien Rechtsberatung über den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). In anderen kann es sinnvoller sein, die unangenehmen Gefühle zu verarbeiten und den Vorfall in der Vergangenheit zu belassen. Recht ist bindend und lässt sich auf Grundlage von Gesetzen durchsetzen. Moral ist dagegen eine allgemein anerkannte Konvention über das Verhalten in einem Kulturkreis. Unmoralisches Handeln muss also nicht zwingend korrigiert werden und auf eine Entschuldigung wartet man oft vergebens.
Vielleicht denkst du in deiner Situation gerade »Sowas macht man einfach nicht!« und ich würde dir sicher zustimmen. Jeden weiteren Tag, den du an dieser Ungerechtigkeit festhältst, wirst du aber zusätzlich bestraft. Die Gedanken kreisen um das Thema und drücken die Stimmung. Jetzt darauf zu warten, dass eine Entscheidung revidiert wird, kann deinen Fortschritt in wichtigen Lebensthemen blockieren. An dieser Stelle einen Schlussstrich zu ziehen, ist schwierig und kann dennoch wichtig für deinen persönlichen Frieden sein. Schlussendlich wird deine Zukunft auch schön, ohne die Mithilfe bestimmter Personen.
Meine Freundin ist übrigens auf beeindruckende Weise mit ihrem Problem umgegangen. Nach professioneller Beratung hat sie den Vorfall auf sich beruhen lassen. Sie durfte ein halbes Jahr in der Schule arbeiten und im Anschluss in das Referendariat einsteigen. Ihre Erfahrungen in der Lehre sind für sie bis heute wertvoll.
Sarah Baumann hat während ihres Studiums gemerkt, dass akademischer Stress und die Belastungen eines Studiums individuell und vielfältig sein können. Auf sozialen Medien ermutigt sie mit hilfreichen Tipps dazu, den Alltag im Studium zu entschleunigen.
1Vgl. Koch, S.; Lehr, D. & Hillert, A. (2015): "Burnout und chronischer beruflicher Stress". In: Prof. Dr. Kurt Hahlweg; Prof. Dr. Martin Hautzinger; Prof. Dr. Jürgen Margraf & Prof. Dr. Winfried Rief (Hrsg.): Fortschritte der Psychotherapie, Band 60, Göttingen: Hogrefe.