»Toxisch« bedeutet wörtlich »giftig« und wurde in den letzten Jahren insbesondere auf Social Media beliebt, um bestimmte Personen, Persönlichkeitseigenschaften und Beziehungen zu bezeichnen. Gemeint sind damit meist schädliche oder destruktive Verhaltensweisen, die mit Formen der emotionalen Gewalt in Verbindung gebracht werden, wie starke Stimmungsschwankungen, Demütigungen und Manipulationen. Oft werden aber auch mildere Ausprägungen wie z. B. Negativität, Lästern oder eine beurteilende Haltung darunter gefasst.
»Toxic Traits« (deutsch »toxische Eigenschaften«) oder »toxische Beziehungen« sind jedoch keine wissenschaftlichen Begriffe, die eindeutig definiert sind.1 Daher verwundert es nicht, dass sich im Internet eine Vielzahl von Listen tummeln und der Begriff schwammig und vage bleibt.
In Fachkreisen wird das Attribut »toxisch« kontrovers gesehen. Kritiker stören sich insbesondere daran, dass der Begriff oft dazu verwendet wird, um bestimmte Personen und Beziehungen abzustempeln und in eine Schublade zu stecken.2 Dadurch wird ein differenzierter Blick auf die Komplexität und das Veränderungspotenzial von zwischenmenschlichen Beziehungen verstellt. Fingerzeige und Etiketten wie »toxisch« sind in der Regel beim Umgang mit Beziehungen wenig hilfreich. Stattdessen ist es wichtig, zu schauen, wo genau das Problem liegt und wie die Beziehung verbessert werden kann.
Aber Begrifflichkeiten mal zur Seite: Du kannst andere Menschen nicht ändern, aber dein eigenes Verhalten schon. Wenn dich eine Beziehung dauerhaft belastet, dann wäge ab, was an der Beziehung gut und was schlecht ist. Versuche, dem Problem auf den Grund zu gehen. Vielleicht kommst du zu dem Entschluss, dass du bzw. ihr (zu einer Beziehung gehören immer mindestens zwei) an der Beziehung arbeiten wollt. Ihr könnt z. B. lernen, wie ihr konstruktiver kommunizieren und mit Konflikten umgehen könnt.3 Lerne, für dich einzustehen und Grenzen zu setzen.4
Ein Anfang kann sein, dass du deutlich aussprichst, dass du mit bestimmten Verhaltensweisen nicht einverstanden bist. Eine andere Konsequenz kann sein, dass du die Zeit mit einer bestimmten Person reduzierst oder unter Umständen im letzten Schritt die Beziehung beendest. Ich möchte dich aber an dieser Stelle erinnern, dass dieser Artikel nur eine kurze Einführung in eine sehr komplexe Thematik bietet.
Zwischenmenschliche Beziehungen sind eine komplexe Angelegenheit und wenn man etwas an Beziehungen verändern will, ist es wichtig, etwas tiefer zu schauen. Das ist sicherlich nicht immer einfach, aber kann sehr lohnenswert sein. Nicht zuletzt kann es hilfreich sein, die eigenen Verhaltensmuster zu reflektieren. Jede Person trägt ein paar dysfunktionale Verhaltensweisen aus der eigenen Vergangenheit mit sich herum, denen man sich oft nicht bewusst ist. Sich dieser bewusst zu werden, kann auch zu gesünderen Beziehungen beitragen.
In jedem Fall ist es hilfreich, sich mit anderen darüber auszutauschen, um mehr Klarheit zu bekommen. Und wenn du das Gefühl hast, dass du nicht mehr weiterkommst, dann zögere nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen.
Jana Scheible-Khedekar hat Psychologie (B.Sc.) und Soziologie (M.Sc.) studiert. Sie leitet Workshops und schreibt zu mentaler und emotionaler Gesundheit. Außerdem praktiziert Jana als körperorientierte Coach und unterrichtet Yoga und achtsamkeitsbasierte Meditation.
1Vgl. Frank Luerweg (2023): "Toxische Beziehung" unter: https://www.psychologie-heute.de/beziehung/artikel-detailansicht/42593-toxische-beziehung.html#toc-6-anzeichen-und-merkmale-einer-toxischen-beziehung [Stand 25.10.2023]
2Vgl. Frank Luerweg (2023): "Toxische Beziehung" unter: https://www.psychologie-heute.de/beziehung/artikel-detailansicht/42593-toxische-beziehung.html#toc-6-anzeichen-und-merkmale-einer-toxischen-beziehung [Stand 25.10.2023]
3Vgl. Frank Luerweg (2023): "Toxische Beziehung" unter: https://www.psychologie-heute.de/beziehung/artikel-detailansicht/42593-toxische-beziehung.html#toc-6-anzeichen-und-merkmale-einer-toxischen-beziehung [Stand 25.10.2023]
4Vgl. Nedra Glover Tawwab (2021): "Set Boundaries, Find Peace. A Guide to Reclaiming Yourself". Little, Brown Book Group: London.