Zu Beginn meines Studiums war ich sicher keine Meisterin meines Alltags. Als Bildungsaufsteigerin wusste ich relativ wenig über die Herausforderungen, die auf mich zukommen. Vor allem fehlten mir aber die Skills, um mit diesen umzugehen. Dafür hatte ich viele Erwartungen an mich selbst: Ich will es richtig und gut machen. Planlos ging also der Plan los und im Vergleich zum Abi geriet ich mit meinen bisherigen Bewältigungsstrategien schnell an meine Grenzen. Je härter ich zu mir selbst war und umso mehr Leistungsbereitschaft ich zeigte, desto mehr war ich erschöpfte. Meine Konzentration ließ schneller nach und ich wurde am Tag ungewöhnlich oft müde. Einige Semester sind auf diese Weise vergangen, bis ich ganz bewusst wahrgenommen habe, dass ich überlastet bin und etwas an meinem Alltag verändern muss.
Stress ist nicht grundsätzlich schlecht. Die Stressforschung verfolgt unterschiedliche Ansätze. Stresserleben kann als eine Reaktion auf Anforderungen oder Belastungen verstanden werden, um Herausforderungen zu meistern. Stresserleben ist auch abhängig von der individuellen Bewertung einer Situation.1 Sich in der Prüfungsphase stärker gestresst zu fühlen, ist sicher nicht unnormal. Zum Problem wird Stress eher dann, wenn er über lange Zeit anhält, das Stresserleben sehr intensiv ist und es an Erholungszeiten mangelt. Häufig begleiten Gefühle der Hilflosigkeit und Resignation diesen Prozess. Das kann Folgen für die Gesundheit haben: z. B. emotionale Erschöpfung. Meine Stressoren waren zum Beispiel Zeitdruck, die hohe Dichte an Lernstoff und Prüfungen. Auch Gedanken an mögliche Schulden sowie mein eigener Anspruch, Erwartungen gerecht zu werden, haben meinen Stress verschärft.
Was ich aus diesen ersten Semestern gelernt habe, ist rücksichtsvoller mit mir selbst zu sein. Mein Fokus verschob sich von meinem »Was muss ich nach dem Verlaufsplan in diesem Semester erreichen?« zu »Wie möchte ich meine Ziele erreichen?«. Ich distanzierte mich von den Vergleichen mit meinen Kommiliton/innen und analysierte meine persönlichen Aktivitäten am Tag. Im Vergleich zu der Schulzeit haben meine täglichen Aufgaben stark zugenommen. Ich arbeitete rund 20 Wochenstunden in meinem Nebenjob. Darüber hinaus habe ich meinen eigenen Haushalt, einen Hund und drei Fächer zu studieren.
Ohne Kalender, To-do-Liste und Lernplan bricht wahrscheinlich das Chaos bei mir aus. Daher rate ich dazu, den Tag und seine Herausforderungen schriftlich zu planen. Das geht digital wie analog. Für einen realistischen Zeitplan können wir vorerst die eigenen täglichen Aktivitäten analysieren. So können dir zeitraubende Gewohnheiten auffallen und du erkennst deinen persönlichen Rahmen. Plane z. B. Fahrzeiten, deinen Einkauf, Mahlzeiten, private Termine und vor allem Pausen ein. Es entsteht dein lebensnaher Plan, der eine geringere Wahrscheinlichkeit hat, zu misslingen und dich zu frustrieren.
Phasen der Anspannung sind normal, sie brauchen aber ausgleichende Zeiten der Entspannung. Untererholung kann sogar Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Das habe ich selbst zu spüren bekommen. Gönne dir Zeiten der Erholung und fülle diese mit Dingen, die dir guttun. Schlafen, Lesen oder Meditieren sind genauso schöne Ideen wie angenehm herausfordernde Aktivitäten wie Sport, Freund/innen treffen oder ein kreatives Hobby. Hast du ein Hobby durch Umzug aufgegeben? Wo könntest du in deiner Uni-Stadt anknüpfen? Der Hochschulsport ist eine erste gute Anlaufstelle. Studentin Vero hat beim Bouldern viele neue Freund/innen gefunden.
Es klingt so leicht, ist es aber oft nicht. Entspannung stellt sich eher nicht ein, wenn deine Gedanken auch in der Freizeit um die Uni oder den Nebenjob kreisen: »Ich sollte die Zeit eigentlich nutzen für … «. Die gedankliche Distanzierung ist der erste Schritt zur Erholung. Hilfreiche Tipps stammen aus der Theorie des Boundary Management von Blake E. Ashforth, Glen E. Kreiner und Mel Fugate (2000).2 Entscheide bewusst, wo du deine Lebensbereiche voneinander abgrenzen möchtest. Lerne beispielsweise nicht im Bett, um diesen Ort nicht mit dem Studium zu verknüpfen. Fahre zum Lernen in die Uni oder entscheide bewusst, wann das Studium Thema in WG-Gesprächen sein soll. Hast du dich gedanklich vom Studium befreit, kannst du dich auf den Moment einlassen und deinen Akku wieder aufladen. Verfolge deine Ziele und sei dabei sanft zu dir selbst und deinen eigenen Herausforderungen gegenüber.
Weitere Anregungen zum Alltag im Studium findest du in der Aufzeichnung zum Online-Event »Point of View: Den Alltag meistern«.
Sarah Baumann hat während ihres Studiums gemerkt, dass akademischer Stress und die Belastungen eines Studiums individuell und vielfältig sein können. Auf sozialen Medien ermutigt sie mit hilfreichen Tipps dazu, den Alltag im Studium zu entschleunigen.
1Vgl. Ernst, G.; Franke, A. & Franzkowiak, P. (2022): "Stress und Stressbewältigung". In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden unter: https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/stress-und-stressbewaeltigung/
2Vgl. Ashforth, B. E.; Kreiner, G. E.: & Fugate, M. (2000): "All in a day’s work: Boundaries and micro role transitions". In: Academy of Management Review, 25(3), S. 472-491.