»Mit Praxiserfahrung« steht in fast jeder Stellenausschreibung. Aber wie bekommst du genau diese erste Erfahrung, nach der alle Arbeitgebenden suchen? Der Druck, der oft unter Jobsuchenden und Absolvent/innen aufkommt, ist groß. Aber keine Angst: Es braucht nicht erst 100 Praktika, bis du deinen Traumjob antreten kannst. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen, aber eines ist sicher: Es kommt nicht auf die Anzahl deiner Praxistätigkeiten an, sondern auf viele unterschiedliche Faktoren. Ich erkläre dir, worauf du bei der Suche nach einem Praktikum achten kannst – und warum es auch ein Nebenjob sein kann, der dich für Arbeitgebende interessant macht.
Viele Studierende stehen vor der Frage: Soll ich Praxiserfahrung in einem Praktikum sammeln oder lieber während meines Studiums einem Nebenjob nachgehen? Oder sollte ich mich lieber voll und ganz auf mein Studium konzentrieren? Praktika und Nebenjobs können dir wertvolle fachliche Einblicke in eine Branche oder ein bestimmtes Berufsbild geben. So findest du heraus, ob dein Traumjob in der Praxis auch wirklich zu dir passt oder welche Berufsfelder überhaupt für dich infrage kommen. Du nimmst dir so den Druck, nach dem Studium ins kalte Wasser zu springen, weil du dir bereits während des Studiums eine fundierte Entscheidungsbasis schaffst. Aber auch fachfremde Nebenjobs bessern nicht nur dein Budget auf, sondern helfen dir später bei der Jobsuche. Ein/e Bewerber/in, die während ihres/seines Studiums zum Beispiel nebenbei im Einzelhandel gearbeitet hat, erhöht damit ihre/seine Chancen für eine Jobzusage. Warum? So ein Nebenjob (und das passende Arbeitszeugnis) können zeigen: »Diese Person kann beruflich Verantwortung übernehmen, hat ein vertriebliches Geschick und ist geschult im Kontakt mit Kund/innen«.
Während des Studiums Praxiserfahrung zu sammeln, ist also in jedem Fall empfehlenswert. Viele Studiengänge schreiben deshalb Pflichtpraktika vor. Dein Studiengang erfordert kein Pflichtpraktikum? Das ist kein Grund, dich nicht trotzdem nach einer beruflichen Tätigkeit umzuschauen. Neben den oben genannten Vorteilen wäre da nämlich noch der soziale Aspekt: Du lernst neue Menschen außerhalb deines Studiums kennen und hast die Gelegenheit, dein Netzwerk zu erweitern. Ein Nebenjob oder Praktikum lehrt dich außerdem wertvolle Fähigkeiten, die dir in deiner persönlichen Weiterentwicklung helfen. Du lernst deine eigenen Stärken und Interessen besser kennen, selbstständig zu arbeiten und delegierte Aufgaben abzuarbeiten. Zudem erhältst du Einblicke darin, wie eine Organisation funktioniert und aufgebaut ist und wie du dich in einem Team im beruflichen Kontext erfolgreich einbringst. Genau diese persönliche Reife spielt gerade bei Bewerbungsgesprächen eine große Rolle. Dort kannst du mit Kritikfähigkeit, Argumentationsfähigkeit, Konfliktlösungsmöglichkeiten, Kompromissbereitschaft und Stressresistenz punkten.
Aber was ist denn nun das richtige für dich? Falls du nicht dringend auf das Geld durch einen Nebenjob angewiesen bist, können dir die folgenden Fragen Orientierung bieten und dir bei der Entscheidungsfindung helfen:
Versuche Klarheit in deine Beweggründe zu bekommen. Was ist dir dabei am wichtigsten? Oft wählen Studierende ihre Tätigkeiten danach aus, »was sich gut im Lebenslauf macht« vergessen dabei aber, dass sie auch folgende Faktoren berücksichtigen sollten: Spaß, Geld, Zeit, Aufwand,... Je klarer deine Prioritäten und Beweggründe, desto gezielter kannst du nach einer passenden Stelle suchen.
Musst du ein Pflichtpraktikum erfüllen? Prüfe in jedem Fall deine Studien- oder Ausbildungsunterlagen, ob du dort Vorgaben zur Bezeichnung/Bezahlung findest. Je früher du genau Bescheid weißt, desto entspannter kannst du dich darum kümmern, eine geeignete Stelle zu finden. Bedenke, dass du dort vielleicht nach der Praktikumszeit für den Rest deines Studiums arbeiten oder wertvolle Kontakte für den Einstieg ins Berufsleben knüpfen könntest.
In welchen deiner Fähigkeiten bist du schon sehr gut, wo bist du Anfänger/in? Überlege dir, ob du eine Tätigkeit ausüben möchtest, bei der du schon Erfahrung mitbringst oder ob du dir komplett neue Fähigkeiten aneignen möchtest. Beispielsweise könnte ein Nebenjob an die Aufgaben anknüpfen, die du bereits in einem Praktikum unter Beweis gestellt hast oder dir Inspiration für eine neue Praktikumsstelle geben. Trau dich, Kolleg/innen oder Kommiliton/innen anzusprechen und dir Tipps aus ihrer Berufserfahrung geben zu lassen.
Dieser Schritt ist wichtiger, als du vielleicht denkst. Viele Studierende sind es gewohnt, einen Alltag voller Aufgaben zu bestreiten und das ohne Geld dabei zu verdienen. Fürs Studieren wird man nun mal nicht bezahlt – duale Studiengänge mal ausgenommen. Aber genau dort liegt das Problem: Je früher du lernst, was du für deinen Lebensunterhalt brauchst, desto besser kannst du später Gehälter einschätzen. Schreibe dir genau auf, wie viel Geld du für deine aktuellen Ausgaben wie Miete, Studiengebühren, Verkehrsmittel, Bücher, Nahrungsmittel, Hygiene und so weiter brauchst und beziehe das Gehalt in deine Suche nach einer passenden Tätigkeit mit ein. Hier findest du weitere Tipps und Informationen für die Finanzplanung im Studium.
Achtung: Bitte lies Arbeits- oder Praktikumsverträge immer aufmerksam durch und hole dir bei Unklarheiten Unterstützung. In Deutschland ist beispielsweise genau geregelt, welche Praktika bezahlt werden müssen oder welchen Stundenlohn du bei einem Minijob mindestens bekommen musst.
Notiere dir ganz genau, wie viele Stunden pro Woche es für dich möglich ist, einer Tätigkeit nachzugehen. Wann passt sie am besten in deinen Alltag? 20 Stunden von Montag bis Freitag oder 10 Stunden am Wochenende? Oder doch lieber ein ganzes Semester Vollzeit? Sei dabei realistisch. Denn diese Grundlage hilft dir, eine passende Tätigkeit zu finden, die nicht zum zusätzlichen Stressfaktor wird oder dich gar überfordert. Hier findest du Tipps für deine Zeiteinteilung im Studium.
Überlege für dich, welche räumliche Distanz oder Frequenz für Teamtreffen infrage kommt bzw. was du in deinem Zeitplan unterbringen kannst. Ist es dir wichtig, Kolleg/innen direkt vor Ort zu treffen oder möchtest du deine Tätigkeit komplett remote ausüben? Notiere dir, was dir wichtig ist, damit du die Suche nach geeigneten Stellen ggf. räumlich eingrenzen oder erweitern kannst.
Ob Praktikum oder Nebenjob: Während des Studiums erste berufliche Erfahrungen zu sammeln, hilft dir nicht nur bei der Jobsuche nach dem Studium, sondern auch bei deiner persönlichen Weiterentwicklung und fachlichen Qualifizierung. Ich empfehle dir, den Fokus nicht zu sehr auf die Anzahl deiner Praktika oder namhafte Arbeitgebende zu richten. Ein Nebenjob oder Praktikum muss in erster Linie zu dir und deinen persönlichen Zielen und Vorstellungen passen. Je klarer diese für dich sind, desto besser kannst du Prioritäten setzen und passende Chancen für dich identifizieren. In diesem Beitrag erhältst du nützliche Hinweise für die Jobsuche, die dir auch bei Praktika und Nebenjobs helfen können.
Sabine Weiß ist Unternehmensberaterin und Jobcoach. Sie unterstützt Menschen in der gesamten DACH-Region, die ihren Job wechseln oder neu in ein Berufsfeld einsteigen.