Studium und ADHS?

Ohne Spaß geht’s nicht!

Im Studium mit ADHS stehen wir vor besonderen Herausforderungen, die sich auf verschiedene Aspekte auswirken. Die Schwierigkeit, sich über längere Zeiträume zu konzentrieren, kann den Lernprozess erschweren, besonders in Vorlesungen oder bei langen Studiensitzungen. Die Impulsivität, die oft mit ADHS einhergeht, kann zu unüberlegten Entscheidungen führen, die sich negativ auf die akademische Leistung auswirken können. Auch die Schwierigkeit, den Überblick über Aufgaben und Fristen zu behalten, kann zu Stress und Verzögerungen führen. Im Folgenden möchte ich dir davon erzählen und was mir persönlich im Studium total geholfen hat.

Allein, allein

Studieren mit ADHS kann sich anfühlen, wie das Nachkochen eines Gerichtes, dass du noch nie gegessen hast. Ohne Rezept. Unter Zeitdruck. Am Ende kann man nämlich nur hoffen, dass niemand umfällt, wenn man das Resultat präsentiert. So dachte ich zumindest, denn oft saß ich vor unzähligen Papierstapeln mit Tränen in den Augen, weil ich nicht wusste, was ich noch machen soll, um diese Buchstaben in meinen Kopf zu hämmern. 

Das Schlimmste in dieser Zeit war, dass ich nicht nur mit den Sachen Probleme hatte, die die meisten kennen: Selbstzweifel, schlechtes Zeitmanagement und den ständigen Leistungsdruck – sondern, dass ich neben meinen Kommiliton/innen in Vorlesungen saß, und sie – im Gegensatz zu mir – wirklich etwas daraus mitnehmen konnten. Egal, wie sehr ich zuhören wollte, das Gefühl eingesperrt zu sein, während mein Körper aufgrund der Langeweile alle Systeme gegen meinen Willen herunterfährt, hat mich hilflos fühlen lassen.

Stressor-Detox

Der simple Tipp, der mir dann wieder Hoffnung gab, kam von meiner damaligen Psychologin: »Sie müssen akzeptieren, was Sie nicht ändern können, aber sich dafür umso mehr in den Sachen festbeißen, die Sie können.« Das bedeutete für mich: Alles hinterfragen und alle Stressoren kompromisslos aussortieren.

Tatsächlich gibt es kein Gesetzbuch, das einem vorschreibt, wie man studiert. Das kann ein Fluch sein, denn niemand gibt einem Struktur, so wie in der Schule. Es kann aber auch ein Segen sein, wenn man begreift, dass einen niemand zwingt, zu Vorlesungen zu gehen, wenn sie einem nichts bringen. Nicht, weil man einfach nicht will, sondern weil du dir Inhalte vielleicht nicht so gut übers reine Zuhören erarbeiten kannst. Statt mit meinen Kommiliton/innen in die Vorlesung zu gehen, habe ich mich also in ein Café gesetzt, um die Inhalte dort auf meine Weise durchzuarbeiten. Nicht, indem ich stur auf das Blatt starre, »weil man das eben so macht«, sondern indem ich zum Beispiel bunte Präsentationen vorbereitet habe. So habe ich die Themengebiete logisch geordnet und verstanden. Meine Chancen, den Stoff zu behalten, sind so gestiegen und ich hatte sogar (im Rahmen der Möglichkeiten) Spaß dabei.

Vieles auszuprobieren war für mich extrem wichtig. Mich mit ADHS zu immer wiederkehrenden Arbeitsalltagen zu zwingen funktioniert für mich nur mit neuen Impulsen. Das reicht von »Ich lerne in einem Café« bis hin zu »Ich erstelle einen Social-Media-Kanal mit den Lehrinhalten«. So habe ich mir selbst langsam die lähmende Angst vor dem Schreibtisch genommen.

Aber egal wie man es anstellt, am Prüfungstag muss es sitzen.  Die lähmende Angst, alles auf einmal zu vergessen und wieder zu versagen, hat mich wirklich dazu gebracht, alles zu vergessen. Ich habe die Fragen nicht verstanden und unter Panik den Stift sprichwörtlich fallen lassen. Was mir dagegen geholfen hat, ist das »Rückwärts-Lernen«: Anstelle stur den Stoff zu pauken, stellt man sich selbst Fragen, auf die man die Antwort finden muss. Man versucht selbst, der oder die gemeinste Professor/in zu sein und sucht nach Doppeldeutigkeiten, Zusammenhängen, die erfragt werden können, nach aktuellen Ereignissen, auf die Bezug genommen werden kann und lernt auch mit externen Quellen die Antworten zu geben. So habe ich mir die Panik genommen, etwas falsch zu verstehen, denn im besten Fall hatte ich mir die härtesten Fragen selbst schon gestellt. Manchmal habe ich mich sogar gefreut, die Falltüren der Fragestellungen zu erkennen.

Nicht vergessen!

Wenn du bis hier her gelesen hast, möchte ich dir noch ein paar Sachen mitgeben, die mir persönlich sehr geholfen haben: 

  1. Das Allerwichtigste und Banalste zu gleich ist, ehrlich mit sich selbst zu sein. Denn »Ich kann das nicht« hat in meinem Fall beinahe nie gestimmt. Es war eher »Ich weiß, dass ich das kann, aber ich habe keine Ahnung wie.« Das zuzugeben macht Angst, denn es bedeutet, dass man auf altbewährte Methoden vorerst nicht mehr zurückgreifen kann. Ich für meinen Teil kann aber sagen: Wenn ADHS zu irgendwas gut ist, dann dazu, sich selbst im Minutentakt neu zu erfinden und das gilt auch dafür.
  2. Jede/r hat Stärken und Schwächen. Es fühlt sich vielleicht manchmal nicht so an, aber während du dich fragst, ob du nicht doch ein hoffnungsloser Fall bist, weil du es in Vorlesungen nicht schaffst, zuzuhören oder deine Arbeiten pünktlich abzugeben, bewundern dich andere für deinen Ideenreichtum, für deine Fähigkeit, dich zu begeistern und deine Leidenschaft für Details.
  3. Mach dir die Sachen bewusst, von denen du vorher dachtest, dass du sie nie und nimmer schaffst. Unser ADHS Gehirn ist darauf programmiert, die Gedanken mit den intensivsten Gefühlen hervorzuheben.1 Vorherige Erfolge werden also übersehen, weil sie vergangen sind und wir kein Serotonin mehr daraus schöpfen können. Deswegen vergessen wir, wozu wir in der Lage sind. Und das ist viel.

Studieren mit ADHS kann eine Herausforderung sein, aber mit der richtigen Unterstützung und den passenden Strategien können diese Hindernisse überwunden werden. Es ist wichtig, sich selbst gut zu kennen, sich Hilfe zu holen, wenn nötig, und sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen. Mit Durchhaltevermögen und Anpassungsfähigkeit kann auch ein Studium mit ADHS erfolgreich bewältigt werden. Ich glaub an dich!

@nessadhs
Vanessa Ebert

ADHS und Studium? Vanessa Ebert kennt die besonderen Herausforderungen aus eigener Erfahrung.


Quellen:

1Vgl. Volkow, N. D.; Wang, G. J.; Kollins, S. H.; Wigal, T. L.; Newcorn, J. H.; Telang, F.; Fowler, J. S.; Zhu, W.; Logan, J.; Ma, Y.; Pradhan, K.; Wong, C. & Swanson, J. M. (2009): "Evaluating dopamine reward pathway in ADHD: clinical implications". In: JAMA, 2009 Sep 9;302(10), S. 1084-1091. & Benjamin, Aaron S. (2011): "Successful Remembering and Successful Forgetting: A Festschrift in Honor of Robert A. Bjork". Psychology Press.

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